Impressionen ...und dann streicht Jesus mir ein Butterbrot
Es ist einige Jahre her, da wünschte sich ein hochbetagter Patient, dass ich ihm das Abendmahlsbrot – die Kommunion – bringe. Als ich am Nachmittag zu ihm ging, schlief er. Deshalb bin ich später nochmals zu ihm ins Zimmer gegangen. Das Nachtessen stand schon auf dem Tablett bereit. Ich erinnere mich gut. Es waren zwei kleine Brötchen, Butter, Aufschnitt, etwas Salat, Tomate und Gürkchen als Beilage.
Was sollte ich tun? Die Kommunion vor oder nach dem Nachtessen anbieten? Während ich noch überlegte, nahm mir der Patient die Entscheidung ab. Er sagte: Ich bin heute etwas schwach. Würden Sie mir bitte ein Butterbrot streichen? Natürlich tat ich das gerne und fragte ihn: Mit welcher Beilage? – und er lächelte, der alte Mann mit den weissen Haaren.
Eine Pflegefachfrau schaute ins Zimmer herein und sagte: Es ist gut, wenn Sie sich stärken, Herr ... . Was der Patient trank, weiss ich nicht mehr. Wir unterhielten uns, während er ass, ich belegte ihm jede Brötchenhälfte nach seinem Wunsch und hatte sogar beim Room Service noch ein drittes Brötchen geholt, das er mit Genuss ass. Ich freute mich, dass er Appetit hatte. Dann bedankte sich der alte Mann bei mir und wünschte sich den Abendsegen, den ich ihm gerne zusprach. Danach sagte er, dass er nun müde sei und schlafen möchte. Wir verabschiedeten uns und ich ging mit dem Gedanken, ihm die Kommunion beim nächsten Besuch mitzubringen.
Ein nächstes Mal gab es nicht. Der alte Mann war nach der Pflege am Abend ruhig eingeschlafen und in der Nacht gestorben. ... Ich machte mir Gedanken: Hatte ich etwas versäumt? Wäre die Kommunion für ihn nicht wichtiger gewesen als die Butterbrote?
Ich brauchte noch eine Weile, bis ich begriff: Bevor Jesus uns sein Vermächtnis, das Abendmahl mit Brot und Wein, gestiftet hat zum Zeichen seiner Gegenwart, hat er viele, viele Male mit Menschen zusammen am Tisch gesessen und gegessen! … Auch Jesus hätte vor dem Bett dieses Patienten gesessen und ihm ein Butterbrot gestrichen! Da bin ich mir sicher.
(Nadja Eigenmann, kath. Theologin / Spitalseelsorgerin)