Seelsorge im Alltag Im Gespräch sein
Dieser Satz von Franz-Xaver Jans berührt mich: Mit der Seele dabei sein, mit offenem Herzen mich dem andern zuwenden und gleichzeitig bei mir selber sein, bei meiner Intuition jetzt in diesem Augenblick, in dieser Begegnung. Kein Gespräch ist zufällig. Es ist das Leben, so wie es sich ereignet zwischen mir und dem andern. Deshalb möchte ich wach sein für alles, was gesagt und nicht gesagt wird, was mitschwingt jenseits der Worte.
Solche Begegnungen passieren oft unerwartet, genau dann, wenn ich eigentlich keine Zeit habe. Mein Mann wartet im Auto und ich will nur schnell den Brief einwerfen. Aber diese Frau, die ich aus dem Spital kenne, hat letzte Woche von ihrer Krebsdiagnose erfahren. Sie freut sich, dass sie mich trifft und sie mit mir reden kann, ihre Angst und tiefe Verunsicherung zur Sprache bringen kann. Schnell entscheide ich, dass ich meinen Mann jetzt warten lasse und mich dieser Frau zuwende. So offen wie es mir möglich ist, um alles mitzubekommen und die richtigen Worte und Gesten mich finden zu lassen.
Es geht um das Geschehen in diesem Moment
Es ereignet sich, was zwischen mir und dem anderen passiert: es geht weder um mich, noch um den anderen; sondern um den Prozess und das Geschehen in diesem Moment. Manchmal „vergisst“ man sich selbst dabei, weil man ganz auf das gemeinsame Geschehen ausgerichtet ist. Ich frage intuitiv, nicht durch Nachdenken, nicht aus Neugierde; ich spreche meinen Eindruck aus, meine Gedanken, meine Gefühle, so wie sie jetzt da sind. Sie entspringen gerade nicht meinem Denken, meinen eigenen Erfahrungen oder ähnlichen Geschichten, die ich schon mal gehört habe. Sie entspringen nicht einem Ziel, von dem ich meine, dass es meinem Gegenüber guttun würde.
Alles darf da sein
Meine Haltung ist Offenheit, Spüren und Wahrnehmen, was sich zwischen uns entwickelt. Alles darf da sein: Das Glück, das geteilt und jemandem erzählt werden möchte, die Liebe; das Schwere, Schmerzhafte, Peinliche, die Angst darf da sein. Ich lasse es so wie es ist: beurteile und verurteile nicht. Das entlastet und macht stark, das eigene Schicksal, die eigenen Fehler, die eigene Schwäche anzunehmen.
Manchmal sitze ich nach einem Gespräch einfach schweigend in der Kirche – das, was uns verbindet, das, was sich durch Offenheit füreinander entwickelt hat, wird spürbar. Es geht über uns hinaus.
Wir wissen, da ist mehr. Da ist Gegenwart, die alles umfasst, die trägt und tröstet und die sehr lebendig ist.
Maria Kolek